Lesung im Café Bali
am Samstag, den 14. April 2018 von 15-17 Uhr
Café Bali
Jüdenstraße 31
Göttingen
Wir tauchen ein in die Lebensgeschichte der ungewöhnlich mutigen Balinesin Ida Ayu Agung Mas. Sie wird in eine hinduistische Priesterfamilie hineingeboren und zur Tempeltänzerin ausgebildet, willigt in eine arrangierte Ehe ein, der Scheitern sich früh abzeichnet. Trotzdem geht sie unbeirrt ihren Weg, kämpft gegen Unterdrückung und vertritt schliesslich als Senatorin im Parlament von Jakarta die Interessen der Frauen. Als reife Frau lässt sie sich zur Priesterin ausbilden und beginnt noch einmal einen neuen Lebensabschnitt, der sie mit ihrer Familie und ihrem Land versöhnen wird.
Auszug aus dem Buch:
Wie oft bin ich durch Dayus grün bemoostes Tor gekommen? – Sie führt mich durch ihren tropischen Garten, gemeinsam gehen wir zu meinem Lieblingspavillon mit den roten Fenstern, durch die man zum Fluss hinunterschauen kann, der sich durch eine gewaltige Schlucht schlängelt.
Seit beinahe zwanzig Jahren besuche ich Dayu hier, das erste Mal, um in einer Radiosendung über ihr Projekt „Sua Bali“ zu berichten, dem im Buch ein ganzes Kapitel gewidmet ist. Damals eine idyllische Oase für Menschen aus dem Westen, die sich Asien behutsam nähern wollen, offen sind für Balis Religion, Kultur und Sprache, ein Treffpunkt verschiedener Ethnien und „ein gelungenes Beispiel für einen sozialverantwortlichen Dritte-Welt-Tourismus“.
Über die Jahre haben wir uns befreundet, jedes Jahr hat mich Dayu in langen Gesprächen ein bisschen mehr in ihr Leben mit hineingenommen. Mit der Zeit begann ich, unseren west-östlichen Dialog aufzuzeichnen, weil mich ihre Geschichte immer mehr fesselte. Sie nahm mich mit in ihre exotische Kindheit: Hineingeboren in eine der ältesten hinduistischen Priesterfamilien Balis, wird sie unter der Obhut ihrer lebensklugen Tante Agung zur Tempeltänzerin ausgebildet. Ihr Leben schien vorherbestimmt zu sein, aber man hatte nicht damit gerechnet, mit welch unbeugsamem Willen schon das kleine Mädchen ausgestattet war. Gegen alle Widerstände geht sie unbeirrt ihren Weg, macht Abitur in einer katholischen Klosterschule auf Java, bricht aus ihrer arrangierten Ehe aus, um ein Stipendium in Hamburg wahrzunehmen. Dort genießt sie zum ersten Mal die Vorzüge einer Demokratie und die Liberalität einer Universität in den 70er-Jahren, vertieft sich in ihr Literaturstudium und schärft gleichzeitig ihren kritischen Blick vom Westen in den Osten. Nach ihrer Rückkehr ist ihr politischer Verstand geweckt, und es ist schwierig, sich wieder den Repressalien der Diktatur unter Suharto auszuliefern.
In ihrer unnachahmlichen, vor Lebendigkeit sprühenden Art erzählt sie mir in jährlichen Abständen, wie sie ihrer inneren Spur folgt und die Lebensform entdeckt, die ihr entspricht, schildert ihren Kampf als Umweltaktivistin und Unternehmerin zunächst in Kemenuh, um dann 1998 als Dozentin mit gleichgesinnten Professorinnen gegen die Diktatur Suhartos aufzubegehren. 2004 zieht sie als erste demokratisch gewählte Senatorin Balis ins Parlament von Jakarta ein. Ich durfte Zeugin ihres ungewöhnlichen Wegs sein und staunen über die Kraft ihrer Persönlichkeit. Unvergesslich die Szenen, in denen sie in Mimik und Stimme die Tempeltänzerin, die Frauenrechtlerin oder die Senatorin vor meinen Augen lebendig werden ließ.
Dieses Buch ist mein Dank an meine Freundin und eine Anerkennung ihres Lebenswerks.
Monika Endres-Stamm, August 2015